„Radwegschäden“ SY-Barrien bis Leerßen: Radwegbenutzungspflicht wurde teilweise aufgehoben

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August 2015 wurden die blauen „Radweg“-Schilder auf der K 122 und K 113 zwischen Syke-Gessel und Syke-Leerßen unkenntlich gemacht, so dass Radfahrer nunmehr nicht mehr gezwungen sind, den kaputten Radweg zu benutzen. — Um die Teilstrecke „An der Wassermühle“ geht es vor Gericht weiter.

Verwaltungsvorschrift zur StVO

„II. Radwegbenutzungspflicht […]

Voraussetzung 
    […]
 b)     die Verkehrsfläche nach den allgemeinen Regeln der Baukunst und Technik  in einem den Erfordernissen des Radverkehrs genügendem Zustand  gebaut und unterhalten wird […]

Der ADFC Kreisverband hat seit 20 Monaten beim Landkreis Diepholz insistiert, weil der Radweg auf einer Länge von 4 Kilometern mit „Gefahr! — Radwegschäden“ ausgewiesen war. Das bedeutet: Als Radfahrer muss insbesondere die Geschwindigkeit verringern, denn es ist mit Schäden zu rechnen, die selbst ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer nicht sofort erkennen kann. Kurzum: der Weg an sich ist eine Gefahr, wohingegen die Fahrbahn durchaus gut zu befahren ist. Und viele Autos fahren auf der Straße sowieso nicht herum. Nach den geltenden Rechtsnormen ist es allemal gar nicht erforderlich, eine Radwegbenutzungspflicht anzuordnen. Insoweit ist es nur rechtens, dass der Regelfall § 2 Abs. 1 StVO zum Tragen kommt: Fahrzeuge haben die Fahrbahn zu benutzen. —- Fahrräder sind Fahrzeuge, ach was.

Teil 1:Antrag auf Neubescheidung, 8. Jan. 2014

An den Landkreis Diepholz
….

Antrag auf rechtsmittelfähige Neubescheidung

der mich belastenden Verwaltungsakte in Gestalt der Verkehrszeichen 240 StVO (Radwegbenutzungspflicht) i. V. m. Vz 101 StVO (Gefahrenzeichen) im Zuge der Kreisstraße 122 u. 113 in Syke (An der Wassermühle, Am Spreeken, Leersser Straße)

Sehr geehrte Damen und Herren,
ca. im September 2013 wurde der straßenbegleitende, benutzungspflichtige Radweg in der K 122 und K 113 auf einer Länge von 4 Kilometern lückenlos mit dem Verkehrszeichen 101 StVO „Gefahrenzeichen“ versehen:
Das Verkehrszeichen 101 „Gefahr“ sagt aus:

§ 45 Abs. 9 Satz 4 StVO

„Gefahrzeichen dürfen nur dort angebracht werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs unbedingt erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss.“

§ 45 Abs. 3 Satz 3 StVO

„Sie [die Straßenbaubehörden ]können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anordnen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird..“

Mithin ist offenbar, dass die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht (Zeichen 240 StVO) auf diesem Weg jedenfalls nicht mehr verhältnismäßig ist, denn der Weg entspricht ganz gewiss nicht mehr den baulichen Voraussetzungen, welche an Radwege mit Benutzungspflicht zu stellen sind. Ich bitte Sie deshalb, mich über den Dauerverwaltungsakt Zeichen 24o StVO neu zu bescheiden bzw. anderweitig Abhilfe zu schaffen.

K 122 Barrien bis Leerßen

K 122 Barrien bis Leerßen

Die K 122 verläuft von der „alten B6“ in Syke Barrien bis zur Ortsmitte Syke-Leerssen. Dort läuft die Strasse dann als K113 bis zur L340 weiter. An der Südseite der Straße ist ein Sonderweg angelegt. Auf dem Sonderweg ist mit Zeichen 240 StVO „gemeinsamer Geh- und Radweg“ die Radwegbenutzungspflicht angeordnet.
In Barrien, Gessel und Leerssen verläuft der Weg weitgehend innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Über die DTV-Werte ist hier nichts bekannt.
Trotz des bekanntermaßen schlechten baulichen Zustandes des Radweges hat es jedenfalls in den vergangenen 15 Jahren keine nennenswerten Reparatur-Arbeiten am Radweg gegeben. Die Straße wurde durchaus aufwändig unterhalten, jedoch konzentrierten sich die Unterhaltungsmaßnahmen gezielt und bewusst nur auf den Straßenteil „Fahrbahn“. Die Fahrbahn wurde auf längeren Abschnitten oder partiell neu asphaltiert, so dass eine weitgehend geschlossene, ebene Bitumendecke vorhanden ist.

Zuerst einmal ist festzustellen, dass Fahrzeuge, also auch die Radfahrer, grundsätzlich die Fahrbahn zu benutzen haben, § 2 Abs. 1 StVO:
„Fahrzeuge haben die Fahrbahn zu benutzen.“
Die im Jahre 1934 eingeführte generelle Radwegbenutzungspflicht wurde 1997 durch die 24. Verordnung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften („Fahrradnovelle“) aufgehoben. Dies geschah nicht zuletzt deshalb, weil sich die Baulastträger im allgemeinen nicht in dem gebotenen Maße um die Radverkehrsanlagen gekümmert hatten. Siehe amtliche Begründung zur Änderung des § 2 StVO  (Hervorhebung H. xxxxx):

Bundesrat Drucksache 374/97 v. 23.05.97

„[…] II. Zu den einzelnen Vorschriften 1. Zu Artikel 1, Nr. 1, Buchstabe a Doppelbuchstabe aa: Die Radwegebenutzungspflicht dient der Entmischung und Entflechtung des Fahrzeugverkehrs. Sie ist aus Gründen der Verkehrssicherheit in der Regel sachgerecht. Allerdings befinden sich heute zahlreiche Radwege entweder in einem baulich unzureichenden Zustand oder entsprechen nach Ausmaß und Ausstattung nicht den Erfordernissen des modernen Radverkehrs. Die Benutzung solcher Radwege ist daher für Radfahrer im allgemeinen nicht ohne weiteres zumutbar. Andererseits ist es vertretbar, die Benutzung solcher Radwege dort noch anzubieten, wo dies nach Abwägung der Interessen für einen Teil der Radfahrer, z. B. ältere Radfahrer, vorteilhaft ist. Die Pflicht zur Benutzung von Radwegen wird deshalb auf solche Radwege beschränkt, die durch die Straßenverkehrsbehörde orts- und verkehrsbezogen mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet sind.“

Auf die Notwendigkeit der Durchführung baulicher Verbesserungen wurde ausdrücklich hingewiesen: ebda.,  II. Nr. 13 „Zu Artikel 3: Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Verordnung. Für die Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Artikels 1 ist eine längere Frist für das Inkrafttreten vorgesehen, um den Straßenverkehrsbehörden zum einen die Radverkehrsplanung (Bestandsaufnahme, Entscheidung über die Kennzeichnung) zu ermöglichen und den Straßenbaubehörden zum anderen eine Nachbesserung oder eine Anpassung baulicher Radwege zu ermöglichen.“

Hiermit wird deutlich, welch hohen Stellenwert der Verordnungsgeber und die Länder dem ordnungsgemäßen Zustand der Radverkehrsanlagen beimessen.

Bei der Beurteilung der Erfordernis und Verhältnismäßigkeit einer im Ausnahmefall erforderlichen Radwegbenutzungspflicht ist die Behörde an die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung“ (VwV-StVO) gebunden. Die VwV soll sicherstellen, dass die StVO bundesweit einheitlich vollzogen wird.
Hinsichtlich der Radwegbenutzungspflicht (§2 Abs. 4 S. 2 StVO) ist vorgeschrieben, dass eine Radwegbenutzungspflicht nur dann angeordnet werden darf wenn sie erforderlich ist und verhältnismäßig ist. Beide Kriterien sind notwendig zu erfüllen. Es ist nicht hinreichend, wenn nur eines der Kriterien erfüllt wird.

VwV-StVO, II. zu Absatz 4 Satz 2, Zu § 2

II. Radwegbenutzungspflicht
Ist aus Verkehrssicherheitsgründen die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht mit den Zeichen 237, 240 oder 241 erforderlich, so ist sie, wenn nachfolgende Voraussetzungen erfüllt sind, vorzunehmen.

Voraussetzung für die Kennzeichnung ist, dass
1.  eine für den Radverkehr bestimmte Verkehrsfläche vorhanden ist oder angelegt werden kann. […]
2.  die Benutzung des Radweges nach der Beschaffenheit und dem Zustand  zumutbar  sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist.       Das ist der Fall, wenn
      a)    […]
      b)     die Verkehrsfläche nach den allgemeinen Regeln der Baukunst und Technik  in einem den Erfordernissen des Radverkehrs genügendem Zustand  gebaut und unterhalten wird […]

Der Radweg in der Kreisstraßen 122 / K 113 in Syke erfüllen die Voraussetzungen gem. Randnummer 16, 24 ganz offensichtlich nicht. Die Bausubstanz ist abgängig und der Zustand des Weges ist derart schlecht, dass sich der Baulastträger sogar gezwungen sah, das Zeichens 101 „Gefahrstelle“-„Radwegschäden“ aufzustellen. Es bedarf keiner besonderen Erläuterung, dass ein Radweg, vor dessen Benutzung gewarnt werden muss, wohl keineswegs den Erfordernissen des Radverkehrs genügt. Dieser marode, gefahrenträchtige Zustand des Radweges erstreckt sich keineswegs auf eine einzelne, kurze Gefahrenstelle, sondern auf 4 (!!) Kilometer Länge. Das ist keineswegs zumutbar. Hiernach wäre die Radwegbenutzungspflicht also nicht zulässig, weil nicht verhältnismäßig

Die Straßenbauverwaltung hat den Radweg im übrigen wohl auch aufgegeben. Denn der Weg wird bei den allfälligen Markierungsarbeiten schon gar nicht mehr berücksichtigt. Jedenfalls fehlen die sog. „Radwegefurten“ an der K 122 / K113 seit Jahren komplett, obgleich sie zwingend erforderlich sind. Vgl. VwV zu § 9 StVO. Nicht einmal an der recht unübersichtlichen Einmündung K122/ Syker Straße wurden die Furten hergestellt. Dabei ist es wegen der hohen Gefährdung der links fahrenden Radfahrer unbedingt erforderlich, zumindest ein Minimum an Markierung aufzubringen. Mit großem Aufwand wird hingegen die Fahrbahn regelmäßig markiert und mit Leitpfosten und allem drum und dran ausgerüstet.

k122

links:     IST-Zustand an fast allen Einmündungen der K 122:  Furten fehlen
rechts:    Beispiel „Radfahrerfurt“, Breitstrich, VwV-StVO

Anmerkung: Falls die Radwegbenutzungspflicht aufgehoben wird, werden die Furten trotzdem nicht entbehrlich. Denn auch Gehwege, welche für den Radverkehr freigegeben werden, müssen mit diesen Furten ausgestattet sein. Falls die Straßenverkehrsbehörde und / oder die Baubehörde der Ansicht sind, dass der Radverkehr auf einem separaten Sonderweg mit Benutzungspflicht abgewickelt werden soll, dann müssen sie diesen Weg auch so herstellen:

VG Hannover, Urt. v. 23.7.2003, 11 A 5004/01

„Wie sich u. a. aus der Begründung zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift StVO ergibt (vgl. VkBI. 1997, S. 685, 703 unter II 3) sind die Mindestanforderungen an die Breite von Radwegen bewusst gestellt worden, um die Straßenverkehrsbehörden anzuhalten, die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung der Radwegebenutzungspflicht zu schaffen. Dieses Anliegen würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn eine Straßenverkehrsbehörde unter Berufung auf die Verkehrssicherheit an früheren Benutzungspflichten festhält, ohne den baulichen Zustand des jeweiligen Radweges zu berücksichtigen.“

OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.12.2003, 12 LA 467/03

„Die Beklagte verkennt, dass der von ihr eingeschlagene Weg zur Führung des Radverkehrs auf Dauer nicht mit der Verwaltungsvorschrift vereinbar ist, weil ein derart schmaler Rad- und Gehweg für einen Begegnungsverkehr von Radfahrern und Fußgängern nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Richtliniengebers selbst eine Gefahrenquelle darstellt. Ihre Entscheidung erweist sich deshalb als ermessensfehlerhaft. Auf welche andere Weise der Radverkehr geführt werden kann, liegt im Ermessen der Beklagten. Wenn sie meint, die Verkehrssicherheit nur durch einen linksseitigen Rad- und Gehweg gewährleisten zu können, so ist der vorhandene Weg in angemessener Frist in entsprechender Breite auszubauen.

Die sog. „Fahrradnovelle“ datiert auf 1997, also 16 Jahre zurück. Das hätte reichen müssen, um den Radweg halbwegs sanieren zu können.

Es könnte auch nicht eingewendet werden, dass dem Baulastträger die notwendigen Finanzmittel nicht zur Verfügung stünden, um den Radweg entlang der K 122 / K113 in einem anforderungsgerechten Zustand zu unterhalten. Denn der Landkreis Diepholz baut immer noch neue Radwege. Es werden sogar Radwege in Straßen neu gebaut, wo sie ganz und gar nicht erforderlich sind. D.h. der Landkreis hat offensichtlich sehr viel Geld übrig.
Grundsätzlich ist den Behörden der Verweis auf fehlende Finanzmittel ohnehin verwehrt:

VG Hannover, Urt. v. 23.7.2003, 11 A 5004/01

„Zum anderen zielt die Radwegnovelle ersichtlich auf bauliche Verbesserungen am vorhandenen Radwegenetz ab (vgl. VO zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO Ziff. l, 3). Da solche Verbesserungen zugleich der Erhöhung der Verkehrssicherheit dienen, kann sich die Beklagte nicht ohne weiteres auf das Fehlen entsprechender Haushaltsmittel berufen.“

Fazit
Nach alledem erweist sich die dauerhafte Anordnung der Radwegebenutzungspflicht in der K 122 / K 113 zum derzeitigen Zeitpunkt als ermessensfehlerhaft. Da ich als Radfahrer in der K 122 / K 113 jedoch unmittelbar von der Anordnung der Zeichen 240 und dem damit verbundenen Fahrbahnbenutzungsverbot betroffen bin, werde ich in meinen Grundrechten verletzt.
Ich bitte deshalb um rechtsmittelfähige Neubescheidung des mich belastenden Verwaltungsaktes.

Mit freundlichen Grüßen

Mit obigem Antrag auf Neubescheidung wurde eine (erneute) Ermessensentscheidung über die Radwegbenutzungspflicht auf dem 4 Kilometer langen Abschnitt begehrt. Daraufhin gab es ein 20-monatiges Hin und Her, denn die Straßenverkehrsbehörde des Landkreises ist durchaus am Erhalt des Weges interessiert, die Baubehörde des Landkreises verweist hingegen auf mangelnde Finanzmittel (Anm. d. V.: das Geld wird für die Fahrbahn ausgegeben und für überflüssige Radweg-Neubauten). Nach eineinhalb Jahren war immer noch nichts passiert und Klage geboten. Zwar hat der Landkreis auf den Radweg-Abschnitten zwischen Barrien und Leerßen blaue Müllsäcke über die ‚Lollis‘ gestülpt, aber sowohl in Barrien als auch in Leerßen war die Benutzung der Fahrbahn für Radfahrer nach wie vor verboten.

Es geht zum Gericht

Wir hatten die StVB nochmals innigst gebeten, doch bitte auch die restlichen Lollis kurzfristig abzuschrauben.

Leider hat die Behörde auch diesen freundlichen Rat nicht weiter beachtet.
      ⇒ Deshalb haben wir Klage eingereicht (11/2015)

Wir machen Schluss mit „Radwegschäden“ & „Radwegbenutzungspflicht“

Die Kombination „Radwegschäden“ & „Radwegbenutzungspflicht“ ist auf Dauer schlechterdings rechtswidrig. Wir gehen jetzt verstärkt dagegen vor. Z.B.:  B 51 Bassum-Twistringen

 

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