Eine Erlebnis-Reise von Kleipeda bis Riga. Christian Lassek, Harald Stahl, Willi Dekarz, Rolf Kasper, Rainer Luitjens
Reise-Telegramm
Reisezeitraum: 22. Mai bis 9.Juni 2004 (eischl. An-/Abreise)
Streckenlänge: ca. 1.150km (150km per Bahn Lettl.)
Hinreise Litauen: Per Schiff von Kiel nach Klaipeda
Rückreise Lettland: Per Schiff von Riga nach Lübeck
Streckenverlauf: Klaipeda- Nida- Jurbaka- Kaunas-Vilnius- Moletai- Grenzeübergang Subate- Daugavpils-Aizkraukle- Riga.
Routen Litauen: Haffroute, Memelfluss- und Burgenroute, teilweise Küsten- und Hauptstadtroute.
Routen Lettland: Nordroute und Dünafluss-Route.
Planung und Bericht: Rolf Kasper ADFC-KV-Diepholz
Fotos: Rainer Luitjens u. Willi Dekarz
Übers Kurische Haff auf schwankenden Planken
Auch auffrischender Wind und zunehmender Regen konnten die fünf Pedalritter aus Stuhr und Weyhe nicht davon abhalten, ein litauisches Juwel, die Kurische Nehrung, auf rund 50km von Klaipeda (Memel) aus zu erradeln und auf dem kleinen Kajütboot, die Räder an der Rehling festgezurrt, das wellengepeitschte Kurische Haff, von mehr als zwanzig Kilometern Breite, bei Nida (Nidden) zu überqueren, um sich dann auf matschigen Schotterpisten noch mal soweit bis nach Silute (Heydekrug), bis zur nächsten Unterkunftsmöglichkeit, durchzustrampeln. Übrigens, bei schlechtem Wetter einen Bootsführer zu finden gestaltete sich schwieriger als erwartet, intensive Transferkostenverhandlung eingeschlossen.
Es hat sich gelohnt, denn die Einzigartigkeit dieses wasserumgebenen Landstreifens mit seinen duftenden Fichten- und Kiefernwäldern, den riesigen Brutgebieten für Kormorane, Möwen und Krähen und den gewaltigen Sanddünen, deren gigantischste fast 60 Meter erreicht und schon ganze Dörfer unter sich begraben hat, ist einige Mühe wert. Treffend bezeichnet am dieses Gebiet auch als „Litauische Sahara“.
Republik Litauen | |
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Einwohner: | ca. 3,7 Mio |
Fläche: | 65 200 qkm |
Haupstadt: | Vilnius |
Geld: | Euro |
Nationalitäten: | Litauer ca. 82%, Russen ca. 8%, Polen 7%, andere. |
Republik Lettland | |
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Einwohner: | ca. 2,5 Mio |
Fläche: | 64 600 qkm |
Haupstadt: | Riga |
Geld: | Euro |
Nationalitäten: | Letten ca. 55%, Russen ca. 37%, verschiedene |
Weitere Entschädigung für den harten Ritt folgte auf dem Fuße (richtiger auf dem Reifen). Überwiegend schönes Wetter, unberührte Natur, riesige Waldgebiete (Litauen fast 30%, Lettland sogar ca. 40% seiner Fläche), reizvolle Seen- und Flusslandschaften mit häufig ausladenden Urstromtälern, eine artenreiche Fauna, Störche allerorten und zahlreichen Orte und Kleinode, die zum Verweilen einladen. Entlang der Nemunas (Memel) passiert man einige Burgen aus dem 16./17.Jh im Stil der hier typischen Backsteingotik, die meisten allerdings in ziemlich marodem Zustand.
Gemeinsam ist Ihnen allen aber der fantastische Blick über das gewaltige Flusstal der Memel. Diese führt dann auch in die traditionsträchtige Stadt Kaunas am Zusammenfluss mit der Neris, die im Mittelalter sogar einmal Hauptstadt war und heute die zweitgrößte Stadt und wichtigstes Industriezentrum Litauens ist. Aber nicht nur das, sie ist auch eine Hochburg für Kultur und Bildung.
Foto: im Hintergrund der „Weiße Schwan“, das Rathaus von Kaunas. Auf dem Wege zum nächsten Highlight, der Trakai, bietet sich der Kurort Birstonas an, wo man eine Nacht im Sanatorium (EZ mit Balkon für 12 €) verbringen kann. Auf die Möglichkeit einer Massageanwendung wurde aber aus Zeitgründen dann doch verzichtet.
Durch eine abwechselungsreiche Hügellandschaft, die mit Steigungen bis zu sieben Prozent schon eine gute Kondition erfordert, ging es direkt in das Herz des Naturschutzparks der Trakai, wo einem schon von weitem die Pracht der Inselburg ins Auge fällt.
Das Wasserschloss der Litauischen Fürsten ist wohl die Nummer eins im ganzen Land und gilt als Wahrzeichen Litauens. Neben den Sehenswürdigkeiten und ethnologischen Besonder-heiten, wie das Volk der Karäer, bietet dieses Naturparadies alles, was man sich für einen erholsamen Urlaub nur so wünschen kann.
Zur quirligen Metropole Litauens sind es von hier nur noch knappe vierzig Kilometer.
Vilnius (Wilna)
Vilnius (Wilna) bot einen Empfang geradezu wie bestellt, beim Einradeln auf einen Platz in der Altstadt sang ein litauischer Chor just in diesem Moment ein deutsches Volkslied.Das war nur der erste überraschende Eindruck, denn bei herrlichem Pfingstwetter wimmelte die Stadt, anlässlich eines Volklorefestivals, nur so von singenden, musizierenden und tanzenden Trachtengruppen in den vielen idyllischen Gassen und auf den zahlreichen schmucken Plätzen. Ein großartiges Kulturerlebnis in der Hauptstadt, wo die Vilna in die Neris fließt, und die zwischen Tradition und Moderne bleibende Eindrücke hinterlässt.
Zahlreiche Kirchen unterschiedlicher Religionen bestimmen das Stadtbild. Berührt ist man hier auch von der tiefen Religiosität, welche vor allem in den wunderschönen russisch-orthodoxen Kirchen zu beobachten ist. Diese tolle, putzsaubere Stadt, wie übrigens alle im Baltikum, ist allemal einen längeren Aufenthalt wert.
Durchs Baltische Hochland nach Lettland
Das Stadterlebnis in Wilna war natürlich in Litauen nicht mehr zu toppen, dafür führte der Weg weiter über Moletai und Rokiskis, zum Grenzübergang bei Subate, durch ganz beeindruckende Landschaften des Baltischen Hochlandes mit üppigen Wäldern und zahllosen urigen Seen am Rande des Aukstaitija-Naturparks, nahe der weißrussischen Grenze.
Die Grenzüberfahrt von Litauen nach Lettland erfolgte völlig problemlos, freundliche Grenzbeamte wünschten eine gute Weiterfahrt. In Richtung Daugavpils wird es zwar flacher, aber das Landschaftsbild bleibt weitgehend das gleiche.
Ganz anders jedoch die Straßen. Rauer, aufgerissener Asphalt mit zahlreichen Schlaglöchern. Insgesamt ist der Zustand der Straßen in Lettland schlechter als im Nachbarland. Abgesehen von der Oberflächenqualität konnte die Strecke aber zu etwa 95% auf asphaltierten Straßen zurückgelegt werden, dabei ganz überwiegend nur schwach von Kraftfahrzeugen frequentiert.
Daugavpils
Daugavpils, das ehemalige Dünaburg, ist die zweitgrößte Stadt Lettlands und liegt beiderseitig der Daugava (Düna). Wenn man zuvor in Vilnius war, sucht man hier vergebens nach herausragenden Sehenswürdigkeiten, die Stadt wirkt trotz ihrer modernen Konsumzentren eher trist und grau.
Sehenswert sind allerdings die russisch-orthodoxe Boris und Gleba-Kirche mit ihren märchenhaften Zwiebeltürmen. Die Pompöse Festung am Stadtrand, von den Nazis zuletzt als Militärlager benutzt, lohnt trotz ihrer eindrucksvollen Größe nicht unbedingt einen Besuch.
Die majestätisch dahinfließende Daugava lädt zum Radeln an ihrer Westseite ein, wegen einer Reihe von schlechten Wegstrecken (Schotterpisten) wurde dieser Abschnitt bis in das 150km entfernte Aizkraukle mit der Bahn überbrückt. Obwohl von Insidern eher von einer Bahnfahrt mit Fahrrädern abgeraten wurde, war der Radtransport völlig problemlos und das Bahnpersonal ausgesprochen freundlich.
Aizkraukle bietet außer dem riesigen Stausee mit der gewaltigen Wasserkraftwerk nichts besonderes. Es ist eher Durchgangsstation und Einstiegsmöglichkeit in die reizvolle Route westlich entlang der mächtigen Daugava. Um auf möglichst verkehrsarmen Strecken nach Riga zu kommen, empfiehlt es sich bei Kegums den Strom zu überqueren und östlich dem Verlauf des idyllischen Flüsschens Ogre zu folgen und so weiter die Hauptstadt anzusteuern. Der recht ansprechende Erholungsort Ogre eignet sich dabei gut für eine Zwischenpause, das offenbar einzige Hotel ist aber nicht gerade empfehlenswert.
Auf der Weiterfahrt nach Riga sollte man einen Abstecher zur beeindruckenden KZ-Gedenkstätte bei Salaspils einlegen, über 100.000 Menschen erlitten hier einen furchtbaren Tod, selbst vor Hinrichtung von 7.000 Kindern schreckte man nicht zurück.
Riga
Über Ulbroka bietet sich, östlich der Bahnlinie nach Riga, eine verhältnismäßig ruhige Strecke in die Lettische Hauptstadt an. Irgendwann landet man auf der Zentrumsachse Brivibas Iela (Straße), die dann Richtung Westen direkt, an der Siegessäule vorbei, in die zauberhafte Altstadt von Riga führt.
- Riga Rathaus
- Riga Stadtmusikanten
- Riga Dom
- Riga
Riga ist nicht nur Partnerstadt von Bremen, sie hat auch vieles mit ihr gemein. Eine traditionsreiche Hansestadt am Fluss mit Marktplatz und einladenden Restaurants, prächtigen Bürger- und Gildehäusern umgeben von gepflegten Wallanlagen wo mittendrin der prächtige Dom mit den Bremer Stadtmusikanten (Geschenk aus Bremen) an der Seite alles überragt. Natürlich gibt es auch den Roland und viele anheimelnde Gassen, die an den Schnoor erinnern. Eine äußerst lebendige und weltoffene Stadt mit Flair, in der man sich als Bremer fast wie zu Hause fühlt.
Nicht nur das sich in Riga der größte Sakralbau des Baltikums erhebt, die bunte Vielfalt der Stilarten und großzügigen Kaufmanns- und Handwerkerhäuser lässt erahnen, wie wohlhabend diese Stadt einmal war….
Aber auch Rigas Umgebung hat einiges zu bieten, beispielsweise das hübsche Seebad Jurmala an der Rigaer Bucht. Für die fünf Radler eine willkommene Gelegenheit zum Anbaden bei aber noch verdammt frischen Wassertemperaturen. Übrigens, ein herrlicher Radweg dorthin lädt zum wahren Genussradeln ein.
Fazit :
Allein für Riga und Vilnius sollte man mindestens zwei volle Tage einplanen und überhaupt, das Baltikum ist mehr als nur eine Reise wert.
FOTOS: Rainer Luitjens und Willi Dekarz
Zum Schluss noch mal das ganze Radelteam, welches, obwohl bunt zusammengewürfelt, prima miteinander ausgekommen ist und ohne Pannen und Blessuren eine tolle Radreise erlebt hat.
Hochwertige Reiseräder sind für solche Reisen allerdings Voraussetzung, trotzdem sollte man einige wichtige Ersatzteile an „Bord“ haben. An dieser Stelle auch Dank an Heiner Schweers Zweiräder für die Unterstützung.
Viele Dank
Rolf
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Charakteristik:
Zwei baltische Staaten im wirtschaftlichen Aufwind mit starker Orientierung nach Europa. Vieles wurde schon angepackt. vieles liegt noch im Argen. Für den Aktivurlauber ist das Baltikum ein Paradies und den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt.
Hier sei der Reiseführer „Baltische Länder“ vom Michael Müller Verlag zum Preis von € 21,90 empfohlen. Dieser enthält ausführliche Angaben, Hinweise und Informationen zu allen Baltischen Ländern mit einer Vielzahl von Telefonnummern und Adressen für alles, was für die individuelle Reiseplanung nötig ist.
Gut geeignet sind die strapazierfähigen Karten von Reise Know How im Maßstab 1:325.000 für Litauen (1.Auflage 2003) und für Lettland (1. Auflage 2004) zum Stückpreis von € 8,90. Ergänzend eignen sich für die Übertragung von empfohlenen Routen und Unterkunftsmöglichkeiten, die Radkarten von BaltiCCycle. Ob diese noch beide verfügbar sind, sollte man unter adfc-shop@adfc.de oder direkt unter www.bicycle.lt erfragen.
Beispielsweise mit der Bahn von Bremen über Hamburg nach Kiel und von dort mit der Fähre nach Klaipeda (ca. 25h). Zurück mit der Fähre von Riga nach Lübeck (ca.33h) und von dort mit der Bahn über Hamburg nach Bremen. Für die individuelle Planung gibt der obige Reiseführer alles notwendige her. Man sollte aber rechtzeitig die Fährpassage buchen, das Angebot an Kabinen hält sich nämlich in Grenzen.
Es ist ratsam sich mit ein paar Vokabeln und Ausspracheregeln auszustatten. Die beliebten Kauderwelsch-Sprachführer Litauisch, Lettisch können dabei sehr hilfreich sein. Man kann sich aber auch einen kleinen Wortschatz in Russisch aneignen, das ist zwar nicht mehr bei allen Balten so beliebt, wird aber von den meisten gesprochen. Vor allem junge Leute sprechen in den Städten sehr häufig englisch.
In den meisten größeren Orten findet man Hotels unterschiedlichen Standards, in Urlaubsgebieten auch Campingplätze mit Hütten, Pensionen und Privatunterkünfte. Die Preise liegen (noch) im Hotel bei ca. 15-20 Euro/ Person, das gilt natürlich nur bedingt für die Hauptstädte, hier sind Gästehäuser empfehlenswert.
Klaipeda-Nida- Silute (77km)- Jurbarkas (94km)- Kaunas (103km)- Birstonas (58km)- Trakai (103km)- Vilnius (40km)- Moletai (96km)- Rokiskis (106km)- Grenzüberrgang Subate- Daugavpils (83km)- Aizkraukle (150km per Zug)- Ogre (72km)- Riga (50km)- Jurmala (25km)- Riga (25km)= 932Km.
Dazu diverse Stadtfahrten sowie An- und Abfahrten zu und von Zügen und Fähren mit ca.100km.
Wir möchten noch folgende Länder bereisen: Polen, Tschechien und Slowakei, Slowenien und Ungarn, Rumänien und Bulgarien (auf dem in den nächsten Jahren durchgehenden Donauradweg bis zum Schwarzen Meer).
Geplant ist in jedem der folgenden Jahre jeweils eine Euroreise, die Reihenfolge der Länder ist jedoch noch offen.