Querungshilfen am linken Radweg konsequent ignoriert

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Seit etlichen Jahren ist in den Allg. Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vorgeschrieben, dass am Anfang und am Ende von linken Radwegen eine sichere Querungsmöglichkeit vorhanden sein muss. – Im LK Diepholz wurden die ‚Altlasten‘ ohnehin nicht nachgebessert, sondern es wurden sogar neue Radwege ohne sichere Querungsstelle gebaut. Jetzt ist ein solcher Fall vor Gericht.

K 121 Syke-Okel nach Syke-Osterholz

In der Ortslage Okel gibt es zuerst einen sehr schmalen Gehweg „Radfahrer frei“ auf der linken Seite. Am Ortsausgang steht dann auf der linken Seite Verkehrszeichen 240 StVO „gemeinsamer Geh-/Radweg“. Ab hier gilt die Radweg-Benutzungspflicht. Radfahrer müssen jetzt im fließenden Verkehr von der rechten Fahrbahnseite zum linken Sonderweg wechseln. Dabei müss der rückwärtige Kfz-Verkehr und gleichzeitig  der entgegenkommende Kfz-Verkehr beachtet werden. Vor Baubeginn 2015 hatte der ADFC auf die Notwendigkeit einer gesicherten Querungsmöglichkeit hingewiesen. Aber der Landkreis Diepholz hatte den Hinweis geflissentlich ignoriert.


okel-k121-aGegenrichtung: kein rückwärtiger Schutz

In Gegenrichtung endet der Geh-/Radweg (1) kurz hinter dem Ortseingang. Der Hochbord ist dann nur noch ein Gehweg (Z239). Radfahrer müssen über eine Bordstein-Absenkung in die Fahrbahn einfahren. Es gibt jedoch keinen baulichen Schutz dieser Ableitung in die Fahrbahn (3). Es gibt lediglich eine durchgezogene Linie, die von Kfz-Verkehr leicht zu übersehen ist. Außerdem wird dem Kfz-Verkehr durch die Leitlinien (2) suggeriert, dass es eine durchgehende Spur gäbe. Wer also als Radfahrer auf die Fahrbahn wechselt, wenn von hinten ein Kfz kommt, wird gnadenlos umgemäht.

Am Ende: ins Gelände

okel-k121-bWer in Osterholz dann nicht aufpasst, der fährt schnurstracks ins Gelände hinein. Denn der Radweg endet abrupt mit einer 90°-Kurve. Auch hier gibt es natürlich keine gesichterte Querungsstelle. Außerdem liegt dieses Radweg-Ende in einer Kurve und die Sicht ist eingeschränkt.

Nach alledem hatten wir im April 2017 bei der Verkehrsbehörde um Neubescheidung gebeten. Die Behörde hat eine Neubescheidung jedoch abgelehnt. Also haben wir im Juli 2017 Untätigkeitsklage erhoben, um eine Bescheidung zu erzwingen.

Klageschrift

Verwaltungsgericht Hannover
Leonhardtstraße 15

30175 Hannover

 

Klage   (Untätigkeitsklage)

 

des xxxxxxxxx

xxxxxxxxxxxx

– Kläger –

g e g e n

Landkreis Diepholz, vertreten durch den Landrat,
Az:  31 21 78
Niedersachsenstraße 2, 49356 Diepholz

– Beklagter –

wegen Bescheidung zur Radwegebenutzungspflicht.

>

Ich erhebe Klage und beantrage,

 

den Beklagten zu verurteilen, den Antrag des Klägers vom 05.04.2017 zur Neubescheidung über die Radwegbenutzungspflicht auf der Landesstraße 340 Nordwohlder Dorfstraße in Bassum-Nordwohlde (L 340) sowie auf der Kreisstraße 121 in Syke-
Okel (K 121) innerhalb von 6 Wochen nach Rechtskraft des Urteils unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu bescheiden.

 

 

Begründung:

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 05.04.2017 eine Überprüfung der ihn belastenden Benutzungspflichten für Radwege (Z 240 StVO „gemeinsamer Geh- und Radweg“) entlang der L 340 „Nordwohlder Dorfstraße“ in Bassum und der K 121 in Syke-Okel, da das Queren der Straßen am Beginn und am Ende der im Jahre 2013 bzw. 2015 neu gebauten ‚linken‘ Radwege mit Gefahren verbunden sei und die erforderlichen sicheren Querungsstellen fehlten. Er bat um eine rechtsmittelfähige Bescheidung binnen drei Monaten.

Beweis:

Schreiben xxxx vom 05.04.2017         (Anlage K 1).

Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 12.05.2017. Beide Strecken fielen durch hohe Fahrgeschwindigkeiten von Kraftwagen und Krafträdern auf. Zum Schutz der Radfahrer sei eine Radwegbenutzungspflicht dringend geraten.

Beweis:

Schreiben Landkreis Diepholz vom 12.05.2017    (Anlage K 2)

Der Kläger erinnerte mit Schreiben vom 08.07.2017 an seinen Antrag und bat um kurzfristige Mitteilung, ob überhaupt – und wenn ja, wann – ihm der Bescheid zugehen werde. Im Falle eines unbegründeten Ausbleibens eines Bescheides müsse er davon ausgehen, dass die Straßenverkehrsbehörde kein Interesse an einer Regelung der Angelegenheit habe.

Beweis:

Schreiben xxxxxx vom 08.07.2018       (Anlage K 3).

Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 13.07.2017. Er verwies in der Sache auf sein Schreiben vom 12.05.2017. Hinsichtlich der begehrten Bescheidung des Antrages teilte der Beklagte mit, dass eine Bescheidung nicht erforderlich sei.

Beweis:

Schreiben Landkreis Diepholz vom 13.07.2017    (Anlage K 4)

Der Kläger bat daraufhin mit Schreiben vom 15.07.2017 um erneute Zusendung des ihm bis dahin nicht vorliegenden Schreibens des Beklagten vom 12.05.2017, welches ihm der Beklagte postwendend in Abschrift zustellte.

Beweis:

Schreiben xxxxx vom 15.07.2017    (Anlage K 5)

Seit dem Antrag vom 05.04.2017 sind mehr als 3 Monate vergangen, ohne dass der Beklagte über den Antrag entschieden hat. Also ist eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erforderlich.

Zwar hat sich der Beklagte mit dem Anliegen des Klägers befasst und geantwortet, jedoch hat er eine Verbescheidung des Antrages explizit abgelehnt (Schreiben LK Diepholz v. 13.07.2017, zweiter Absatz) und den Kläger im Übrigen an die Baulastträger verwiesen. Die Schreiben des Beklagten sind deshalb lediglich als Informationsschreiben zu werten, denen kein Regelungscharakter und damit keine Verwaltungsaktqualität zukommt.

Der Antrag des Klägers vom 05.04.2017 ist sinngemäß auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne gerichtet, nachdem eine Anfechtung der bereits 2015 bzw. 2013 aufgestellten Verkehrszeichen nicht mehr zulässig ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.11.2009-5 S 575/09-, VBlBW 2010,S. 115). Das Wiederaufgreifen ist bereits deshalb geboten, weil der Beklagte selbst und die Polizei von Problemen durch zu schnell fahrende Kfz berichten. Das Fehlen der notwendigen Querungsstellen für den Radverkehr begründet einen abhilfebedürftigen Sicherheitsmangel der „linken“ Radwege, denn gerade der zu schnelle Kfz-Verkehr gefährdet den Kläger beim erzwungenen Queren der Straße auf freier Strecke. Insoweit ist die mit dem Antrag begehrte (erneute) Ermessensausübung geboten.

Mit freundlichen Grüßen

Im Übrigen: überflüssiger Radweg

Nicht zuletzt war der Bau des Weges 2015 ohnehin überflüssig. Es handelt sich um eine unauffällige Kreisstraße mit nur 1.000 Kfz / 24 Stunden (100 Kfz in der Spitzenstunde). Schülerverkehr gibt es praktisch nicht, weil es keine Schulen in der Nähe gibt. Im Sommer gibt es Freizeit-Radverkehr, aber dann an den verkehrsarmen Wochenenden. Ein Großteil des Freizeit-Verkehrs fährt allerdings entlang der umwegfreien, parallelen, idyllischen Strecke des touristischen Leitsystems – der Weg entlang der Kreisstraße muss nicht einmal zwingend befahren werden. Unfälle mit Radfahrern sind nicht bekannt. Der einzige bekannte Unfall geschah 2014 mit einer besoffenen, fußläufigen Kohlfahrt-Gruppe – besoffenen Kohlfahrern nützt ein Gehweg oder Hirn; ein Radweg ist nicht erforderlich.


Nachtrag 8/2019: Erfolg!

Das Verwaltungsgericht Hannover entschied mit Urteil vom 14.08.2019, Az. 7 A 6675/17

6 Kommentare

  1. Das Gefahrenzeichen auf dem ersten Bild mit dem Zusatzzeichen ist so nicht mehr zulässig. Hier wäre VZ 101-54 anzubringen.

  2. Sven Krämer on

    Die Stadt Ratingen (bei Düsseldorf) kennt diese Vorschrift an etlichen Stellen auch nicht. Auch nicht an Straßen wo Tempo 70 herrscht. Der Radweg auf der Straße endet auf rechten Straßenseite und auf der linken geht er weiter. Das weiß man aber erst 100 Meter weiter, wenn man keine Möglichkeit mehr hat, links herüber zufahren, wo Tempo 70 herrscht (an die die Autofahrer sowieso sich nicht halten). Meist muss man dann zurück fahren, warten bis irgendwann eine Lücke gibt und dann kann man weiter fahren.

  3. Alfons Krückmann on

    Gleiche Situation im Münsterland.
    AutofahrerInnen sind damit allerdings stets sehr zufrieden, da endlich die lästigen Fahrräder von der Fahrbahn gekommen sind.
    Mission erfüllt, wie es den Radfahrenden dabei geht ist verkehrspolitisch nicht weiter relevant (ausser vielleicht für den Radtourismus).

  4. Das Problem kenne ich auch aus meiner Heimat (Pfalz). Hier wird (grade außerorts) auch bei neueren Wegen hemmungs- und ausnahmslos auch linksseitig das Z 240 angeordnet – aber es gibt quasi nirgends am Beginn und Ende die notwendigen Querungshilfen.

    Interessant dbzgl. war eine Verkehrsschau, bei der ich als Gast anwesend war: so wies ich die Sachbearbeiterin direkt darauf hin, dass hier (an einer bislang wohl „vergessenen“ Stelle) ein linkes Z 240 eben auch nur angeordnet werden dürfe, wenn man eben auch eine bauliche Querungshilfe anlegt. Das wurde dann unter Verweis auf die VwV verneint, da sei nur von einer „sicheren Querungsmöglichkeit“ die Rede – und daher nicht unbedingt etwas baulich anzulegen.

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