Radreise durch Armenien

3

Rainer Schließer, ADFC Weyhe, 2008

IMG_0096_m Frage an Radio Eriwan: Lohnt sich eine Radreise in Armenien?

Antwort: Im Prinzip ja.

Allerdings sollte man sich genügend Zeit dafür nehmen. Das Land, das von der Türkei, Georgien, Aserbaidschan und dem Iran umgeben ist, umfasst zwar nur eine Fläche von knapp 30 000 qkm (etwa wie das Land Brandenburg) und zählt nur gut 3 Mio. Einwohner. Es stellt somit die kleinste sudkaukasische Republik dar. Trotzdem reichen zwei Wochen bei weitem nicht aus, um alle kulturhistorisch wichtigen Bauwerke und Sehenswürdigkeiten sowie seine Naturschönheiten bewundern und daneben auch noch den Alltag von Land und Leuten beobachten zu können.

Die Reise wurde von biss in Berlin (www.biss-reisen.de) in diesem Jahr zum ersten Mal angeboten und mit unserer sechsköpfigen Gruppe vom 14.-27.10.2008 auch erstmalig durchgeführt. Vor Ort wurden wir von der Agentur SET Ecotourism Agency (www.set.am) betreut und bekamen z.B. von ihr die Leihräder gestellt.

Nach der Ankunft in Eriwan am frühen Morgen ruhten wir einige Stunden im Hotel aus, bevor wir nachmittags einen kleinen Stadtbummel unternahmen. Auf den ersten Blick fiel die eifrige Bautätigkeit auf. Überall waren Baukräne in Aktion zu sehen und ganze Stadtviertel und Flaniermeilen entstehen im Innenstadtbereich. So scheint es, dass in Armenien doch in ganz erheblichem Umfang Geld investiert wird, um das Land zu modernisieren, obwohl es nur über geringe Bodenschätze verfügt und auf Grund der geringen Niederschläge auch nur mäßige Erträge in der Landwirtschaft erzielt werden. Dass jedoch einige Leute Geld haben, lässt sich unschwer am Straßenbild erkennen:

Leider sah das Tourenprogramm zu wenig Zeit vor, um das boomende Eriwan genauer zu erkunden. So haben wir am letzten Tag der Reise – ein Sonntag – denn auch auf ein Höhlenkloster und einen griechischen Tempel verzichtet, um die Reise in den Parks, auf den Flohmärkten oder in der Nationalgalerie Eriwans bei einer Tasse Kaffee ausklingen zu lassen:

Doch verlassen wir jetzt die 1,2 Mio. Einwohner Metropole und begeben uns nach Norden in Richtung des höchsten Berges von Armenien, den Aragaz mit 4090m. In der Stadt Aparan, deren Bewohner wie hierzulande die Ostfriesen für allerlei Witze herhalten müssen, besichtigen wir eine der ältesten Kirchen Armeniens, eine Basilika aus dem 4. Jahrhundert:
 Im Jahre 301 nahm Armenien als erstes Staatswesen das Christentum als Staatsreligion an. Die autokephale Heilige Armenisch-Apostolische Rechtgläubige Kirche bildete über viele Jahrhunderte hinweg eine Gemeinschaft mit der Syrisch-Orthodoxen Kirche. 1441 trennten sie sich. Der Hauptsitz des Katholikos der armenischen Kirche befindet sich seitdem in Etschmiadsin, einige Kilometer westlich von Eriwan.

Die Kirche bildete in der wechselvollen Geschichte Armeniens (Verlust der westarmenischen Gebiete in der heutigen Türkei; Genozid 1915/16) ein wesentliches Identifikationsmerkmal. Im ganzen Land sind deshalb Kirchen und Klöster zu finden, die durch Spenden renoviert und unterhalten werden.

Ein zweites Identifikationsmerkmal ist die Sprache. Sie gehört zu den indoeuropäischen. Der Mönch Mesrop Maschtoz hat um 400 n. Chr. ein Alphabet bestehend aus den 36 heiligen Buchstaben entwickelt.

Wirtschaftlich hat es Armenien schwer. Große Industriekomplexe aus sowjetischer Zeit sind meist in marodem Zustand. Häufig sind sie nur noch teilweise in Betrieb und werden wegen armenischer Schulden von russischen Konzernen geführt.

Ohne direkten Zugang zum Meer ist Armenien in Bezug auf den Handel auf gute Beziehungen zu den Nachbarn angewiesen. Doch gerade in diesem Punkt hat das Land Probleme. Aufgrund der Kämpfe um die auf aserbaidschanischem Gebiet liegende Exklave Berg Karabach (armenisch Arzach) sah es sich in den 1990er Jahren einer fast vollständigen Blockade ausgesetzt und konnte ausschließlich vom Iran aus versorgt werden. So konnten wir auf den Fernstraßen Richtung Iran auch häufig iranische Lastwagen sehen.

 Apropos Straßen. Wir waren sehr positiv überrascht von der guten Qualität der Straßen. Mit unserem bunten Mix aus Mountain- und City-Bikes kamen wir gut voran. Die meisten Strecken waren ordentlich asphaltiert, sodass einige Teilnehmer die bergab Strecken voll auskosteten. Die armenischen PKW und LKW hielten meist großen Abstand, sodass wir keine gefährlichen Situationen verzeichnen mussten.

Armenien ist sehr bergig und wie überall auf der Welt liegen Klöster meist in den oberen Lagen.

Ein Ford Transit mit einem Anhänger für die Räder war unser ständiger Begleiter. Somit war auch im Fall einer Panne schnell Hilfe bereit. Die Reise war so ausgelegt, dass die größeren Strecken im Begleitbus absolviert worden sind. Die Tagesetappen auf den Rädern schwankten sehr stark und betrugen maximal 80 Kilometer. Da das Besichtigungsprogramm etwas zu voll gepackt war, mussten wir einige Male in das Auto umsteigen, um die Ziele noch vor Dunkelwerden (gegen 19.30 Uhr) zu erreichen. Dies wurde dann aufgrund des schönen Wetters und der idealen Radfahrtemperaturen nur widerwillig hingenommen. Übernachtet wurde unterwegs in kleinen Hotels oder privaten Gästehäusern. Letztere waren sehr gemütlich. Mittags wurde meist in kleinen Restaurants entlang der Straßen gegessen. Die Speisen waren sehr lecker und bestanden aus frischen Salaten, Gemüse, gegrilltem Fleisch, gehaltvoller saurer Sahne (mindestens 20%!) mit frischen Kräutern und Lavasch, dem typisch armenischen, hauchdünnen Fladenbrot.

Unsere ständigen Begleiter waren der „große Radfahrer“ Hovhannes, die Dolmetscherin Anush, der Fahrer Garik, sowie teilweise die Studentin Tatev. Sie haben uns absolut umfassend betreut und es ist keine Frage offen geblieben (Anush, Tatev und Rhuben sprechen perfekt deutsch).

Der Inhaber der SET Ecotourism Agency Rhuben Khachatryan ist eigentlich Filmemacher und hat z.B. Filme über die armenische Tierwelt gedreht. Er engagiert sich auch für die ökologische Erziehung armenischer Kinder und Jugendlicher in ganz Armenien u.a. mit der Organisation des sogenannten Sunchild Festivals (www.sunchild.org).

Bei ihnen allen bedanken wir uns für zwei außergewöhnliche Wochen in Armenien mit einem herzlichen:
Schnorhak Alutjun .

3 Kommentare

  1. Ich hätte eine Frage aus Sicht eines Mountainbikers: Spielen sich die Radtouren ausschließlich auf Straßen ab, oder kommt man auch ins „Gelände“?

    • Spielen sich die Radtouren ausschließlich auf Straßen ab, oder kommt man auch ins “Gelände”?

      Übliche Radtouren sind i.d.R. ’schmale-Reifen-geeignet‘ 😉 D.h. nur selten gibt es unbefestigte Passagen. Für Mountainbiker nicht so richtig befriedigend….

Leave A Reply

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.