Stellungnahme Nds. Städtetag

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Die „StVO-Fahrradnovelle“ bzw. das darauf gründende Urteil griffe in das Recht der Gemeinde auf Finanzhoheit ein, meinte der Nds. Städtetag.


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Verwaltungsrechtssache Hxxxxx Oxxxxxx gegen Gemeinde Stuhr

Mit vorbezeichnetem Urteil sind der Bescheid der Gemeinde Stuhr vom 1. Juli 2001 und der Widerspruchsbescheid des Landkreises Diepholz vom 7. Oktober 2001 aufgehoben worden. Die Gemeinde Stuhr ist verpflichtet worden, den Antrag des Klagers auf Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht in der genannten Straße neu zu bescheiden.

Der Niedersächsische Städtetag hält die Zulassung der Berufung der Gemeinde Stuhr in diesem Verwaltungsstreitverfahren (Radwegebenutzungspflicht In der Gottlieb- Daimler-Straße, Stuhr) für dringend erforderlich. Zum einen bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Zum anderen hat die Rechtsstreitigkeit eine übergeordnete grundsätzliche Bedeutung auch für andere Städte und Gemeinden, weil die Auslegung und Anwendung der im Jahre 1997 mit der sog. Fahrradnovelle in die StVO aufgenommenen Vorschriften bei immer knapper werdenden Haushaltsmitteln der kommunalen Gebietskörperschaften in erheblichem Umfange kommunalrechtliche Fragen und Belange betrifft.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass sich die Gemeinde nicht ohne weiteres auf das Fehlen entsprechender Haushaltsmittel berufen kann, wenn Verbesserungen nötig sind, die der Erhöhung der Verkehrssicherheit dienen. Das Gericht schlägt im vorliegenden Fall die Ergänzung der Signalanlage, die Verlegung von Induktionsstreifen und das Anlegen eines Schutzstreifens vor. Diese Maßnahmen würden auf Seiten des betroffenen Straßenbaulastträgers Kosten von ca. 60.000 bis 70.000 Euro verursachen. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass sich die Gemeinde aufgrund der örtlichen Verhältnisse und ihrer überaus schlechten finanziellen Situation zurzeit nicht in der Lage sieht, durch bauliche Maßnahmen die Mindestbreite für beidseitig benutzbare Radwege entsprechend den Vorgaben der Allgemeinen Verhaltungsvorschriften zu § 2 StVO In dem betroffenen Straßenabschnitt herzustellen.

Festzustellen bleibt, dass die engen Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VV-StVO) die Umsetzung des neuen Rechts für die zuständigen Behörden in der Praxis erschweren, wie auch eine Umfrage des Deutschen Städtetages aus dem Jahre 1998 ergab. Es wird deshalb mehr Planungsermessen für den konkreten Einzelfall für die kommunale Planungspraxis und für die unteren Straßenverkehrsbehörden eingefordert.

Tatsache ist, dass sich die Anpassung der bestehenden Radverkehrsanlagen an die derzeit festgelegten Breitenvorgaben nicht immer realisieren lässt. Deshalb sind in jüngster Zeit gerade bezüglich der engen Maßangaben für Radverkehrsanlagen in der VV-StVO konkrete Reformüberlegungen dahingehend angestellt worden, auf solche Maßangaben in Zukunft zu verzichten. Im Einzelfall gibt es immer wieder Verkehrsverhältnisse, die es aus Gründen der Verkehrssicherheit unmöglich machen, Radfahrer auf der Straße fahren zu lassen. In einem solchen Fall muss es möglich sein, die Radwegebenutzungspflicht auch dann anzuordnen, wenn bestimmte Radwegbreiten -wie in der Gottlieb-Daimler-Straße in Stuhr – nicht realisiert werden können.
Letztendlich geht es darum, den Gebietskörperschaften mehr Entscheidungsfreiheit für den Einzelfall bei der Umsetzung der StVO-Novelle zur gewähren, bei deren Verabschiedung es versäumt worden ist, nicht nur Standards festzulegen, sondern den Gemeinden gleichzeitig auch die dafür erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Für die kommunalen Gebietskörperschaften ist es unerlässlich, im Rahmen ihres verfassungsrechtlich eingeräumten Rechts auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 57 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung) die Entscheidung über den Einsatz ihrer finanziellen Ressourcen in der Hand zu behalten, wozu auch die eigenverantwortliche Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung ihrer Aufgaben, hier der eigenen schwerpunktmäßigen Verwendung ihrer Haushaltsmittel für Aufgaben als Träger der Straßenbaulast gehört. Vor dem Hintergrund der außerordentlich angespannten Finanzlage der Städte und Gemeinden besteht aus Gründen der Rechtssicherheit ein überragendes allgemeines Interesse an der Beantwortung der Rechtsfrage, ob das Verwaltungsgericht im Fall von bestehenden, nicht den Vorgaben der VV-StVO entsprechenden Radverkehrsanlagen durch Urteil zulässigerweise in das Recht der Gemeinde auf Finanzhoheit als Teil ihrer Selbstverwaltungsgarantie eingreifen darf.

 

Aus den vorstehend genannten Gründen hält der Niedersächsische Städtetag die Zulassung der Berufung in diesem Rechtsstreit für dringend geboten.

 

Hannover, den 9. Oktober 2003

(Dr. Schrödter)
Hauptgeschäftsführer

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