An der Bundesstraße 61 südlich von Sulingen, an der Auffahrt von der B 214 auf die B 61, muss der abbiegende Kfz-Verkehr „Vorfahrt gewähren“. Gleichzeitig muss der parallel zur Vorfahrtstraße B 61 auf dem Radweg fahrende Radverkehr „Vorfahrt gewähren“. Preisfrage: Wer hat Vorfahrt?
Im Juli 2016 wandten wir uns an die Straßenverkehrsbehörde. Es wurde geantwortet: Der Knotenpunkt sei im Planfeststellungsverfahren so beschlossen worden; wegen baulicher Änderungswünsche sollten wir uns an die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr wenden; es seien keine Unfälle passiert.
Leider äußerte sich die StVB gar nicht zu dem doppelten Z 205. Die Regelung ist ganz offensichtlich rechtswidrig. Wir haben die Behörde deshalb noch einmal freundlich gebeten, über eine Verbesserung der Radverkehrsführung nachzudenken. Der Rechtsweg steht uns dann als ultima ratio immer noch offen.
[an die StVB, 05.02.2017]wir kommen zurück auf die Radverkehrsführung am Knotenpunkt B 61 / B 214: Vielleicht ist nicht deutlich geworden, dass sich das aktuelle Problem konkret in der unklaren verkehrsrechtlichen Regelung zweier widersprüchlicher „Vorfahrt gewähren!“-Zeichen 205 StVO darstellt. Wir regen deshalb an, die Entscheidung vom 1.9.2016 zu überprüfen.
Beim Allgemeinen Dt. Fahrrad-Club kann sich niemand erklären, was die zwei „Vorfahrt gewähren!“-Zeichen bedeuten sollen. Wer muss wem Vorfahrt gewähren? Wer sich lt. StVO im Verkehr bewegt, der steht vor einem Rätsel.
Die Verkehrszeichen sind also nur geeignet, Verwirrung zu stiften. Offensichtlich gelingt dies sogar insoweit, dass die Verkehrsteilnehmer derart verwirrt und unsicher sind, dass sie ganz besonders gut aufpassen und sich nicht umfahren lassen. Oder vielleicht wird auch mehr Rücksicht genommen, weil die Verkehrsregelung unklar ist. – Wir wissen es nicht.
Es ist also erforderlich, Abhilfe zu schaffen. Die Verkehrsbehörde hat Auswahlermessen:
- Zum Beispiel könnte Z 205 vom Radweg entfernt werden und Markierungen gem. VwV-StVO werden aufgebracht.
- Alternativ könnte auch eine Lichtsignalanlage angeordnet werden. Über die Anordnung einer Lichtsignalanlage entscheidet die StVB.
- Nicht zuletzt könnte sich die StVB mit der Baubehörde ins Benehmen setzen und eine regelgerechte Umgestaltung des Knotens anregen.
Es besteht ein Auswahlermessen, aber kein Eingriffsermessen. Denn die derzeitige Verkehrsführung ist schlechterdings rechtswidrig.
Nur am Rande möchten wir anmerken, dass es vor gar nicht langer Zeit ein Urteil zu solch einer ‚gespaltenen Verkehrsführung‘ mit zwei Z 205 gab:
VG Hannover, Urt. v. 3. Mai 2012, 7 A 3917/10
(Bundesstr. 6 / L 332 in Bassum-Oesedum; xxxx ./. LK Diepholz)
Bitte informieren Sie uns zeitnah über Ihre Maßnahmen.
Soweit wir nichts weiter von den beteiligten Behörden hören, werden wir erneut Klage erheben müssen. Unsere Rechtsbehelfsfrist läuft im Juli 2017 ab. Es ist anzustreben, bis dahin eine verbindliche Lösung zu finden.
Keine Ermächtigungsgrundlage = rechtswidrig
Man kann die StVO oder die Verwaltungsvorschrift so oft durchblättern wie man will: es ist nirgends normiert, dass es zwei „Vorfahrt gewähren“ Zeichen für die gleiche Konfliktstelle geben kann. Es gibt also auch keine eindeutige Vorfahrtsregel dazu.
Also kommt ein Text zum Tragen, den der Landkreis Diepholz kürzlich vom Verwaltungsgericht ins Stammbuch geschrieben bekam:
VG Hannover, Urt. v.19.11.2016, 7 A 2528/16 (Rn. 40)
„Die angeordneten Verkehrszeichen … waren jedoch rechtswidrig, weil diese Anordnung von keiner Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Bei der Anordnung eines Ge- und Verbots handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, der nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer formell-gesetzlichen Grundlage bedarf.
Dem Ge- und Verbot zu Verkehrszeichen [..Zxxx…] kann entnommen werden, dass [….Erläuterung der Bedeutung des Zeichens…], sodass es diesbezüglich an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt ….“
Also: Die Behörden sollen das Gesetz umsetzen (Vorbehalt des Gesetzes). Wenn sie sich stattdessen eigene Schein-Gesetze oder-Verordnungen ausdenken, dann handeln sie ohne Ermächtigungsgrundlage und damit rechtswidrig. Der betreffende Verwaltungsakt ist also anfechtbar.
Klageverfahren läuft
Mündliche Verhandlung: Vergleich
Ein Urteil hat es leider nicht gegeben, sondern ’nur‘ einen Vergleich. Mag sein, dass ich zu schisserig war – hätte das Vergleichsangebot evtl. nicht annehmen sollen, aber was soll’s.
Erreicht haben wir zumindest: die Beschilderung wird im „Ohr“ 50 m vor der Kreuzung ergänzt um „Gefahr!“ mit Zusatzzeichen „Radfahrer-Symbol und Pfeile nach links und rechts“. Das sollte reichen, damit der Autofahrer -subjektiv- den Eindruck erhält, er müsse die Radfahrer vorlassen, denn schließlich stößt er ja auf „Vorfahrt achten“. Bereits bei dem Ortstermin (alte Lage) war festzustellen, dass die Autofahrer die Radfahrer immer artig durchgelassen haben.
In der mündlichen Verhandlung war zuerst klar, dass die Beschilderung so nicht hinhaut. Insbesondere müsse auch der „freie Rechtsabbieger“ mit einbezogen werden, denn sonst würde eine gespaltene Vorfahrtsituation entstehen. Doch je länger die Verhandlung dauerte, desto mehr Bauchschmerzen bekam die Kammer wegen des nicht unbedeutenden Lkw-Abbiege-Verkehrs: ob es evtl. der Sicherheit abträglich sei, wenn Radfahrer – im Vertrauen auf Vorfahrt – ungebremst über die Kreuzung fahren, obgleich die baulichen Voraussetzungen dafür nicht geschaffen seien. Da das Verfahren jedoch an der baulichen Situation nichts ändern könne und keine Änderungen vorschreiben könne, wurde dann eine ‚Krücke‘ vorgeschlagen: das eine Z 205 wird ganz nah an die Fahrbahn herangesetzt.
Rechtsdogmatisch mag das Vorgehen problematisch gewesen sein. Die Kammer hat der Verwaltung nämlich die Arbeit abgenommen und eine neue Verkehrsführung ausgearbeitet. Das ist nicht Sinn eines solchen Verfahrens. Eigentlich hätte es nur um die Prüfung des Verwaltungsaktes gehen müssen. Schluss. – Insoweit muss ich mir den Vergleich natürlich selber zurechnen lassen, habe etwas gepennt. Durch ein Versehen haben die Beteiligten den Urteilsentwurf (der vor der mündlichen Verhandlung geschrieben worden war) in die Hand bekommen. Darin war noch zu lesen, dass die zwei Z 205 rechtswidrig sind. Also: dumm gelaufen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Landkreis.
Gleichwohl bliebe jetzt als nächster Schritt ein Gang zum Ministerium (=Straßenaufsicht), um die bauliche Verbesserung einzufordern.
2 Kommentare
Vielleicht hätte dieser Auszug aus der VWV-StVO geholfen:
6 VI. Jede Kreuzung und Einmündung, in der vom Grundsatz „Rechts
vor Links“ abgewichen werden soll, ist sowohl positiv als
auch negativ zu beschildern, und zwar sowohl innerhalb als
auch außerhalb geschlossener Ortschaften. Ausgenommen sind
Ausfahrten aus verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325.1,
325.2) sowie Feld- und Waldwege, deren Charakter ohne
Weiteres zu erkennen ist. Straßeneinmündungen, die wie
Grundstückszufahrten aussehen sowie Einmündungen von Feld-
oder Waldwegen können einseitig mit Zeichen 205 versehen
werden.
An der Bundesstraße 61, bei der Ortschaft Anstedt, wird der benutzungspflichtige Radweg in eine gefährliche Verschwenkung geführt, um Radlern das Vorfahrtsrecht zu nehmen.
Auch hier gibt es eine widersprüchliche Vorfahrtsregelung zwischen Fahrbahn des abbiegenden Verkehrs und Radweg.
Wenn der ADFC mit seiner Klage Erfolg hat, möchte ich anregen, diese Stelle als nächstes in Angriff zu nehmen.